Little Joe

Little Joe

AT 2018; Regie: Jessica Hausner; Drehbuch: Jessica Hausner, Geraldine Bajard;  Kamera: Martin Gschlacht; Ton: Malcolm Cromie; Schnitt: Karina Ressler; Darsteller: Emily Beecham, Ben Whishaw, Kerry Fox, Kit Connor, David Wilmot, Phénix Brossard, Sebastian Hülk, Lindsay Duncan; Länge: 105 Minuten

Trailer


Inhalt

In ihrem Beruf als Botanikerin ist Alice sehr erfolgreich: Sie hat eine magische purpurrote Blume erschaffen, die eine einzgartige Wirkung entfaltet: Bei der für die Pflanze optimalen Raumtemperatur und bei ausreichender Zuwendung macht der betörende Duft dieser Blume die Menschen glücklich. Die alleinerziehende Mutter nimmt eine Blume mit nach Hause, für ihren halbwüchsigen Sohn Joe, die Pflanze erhält von den beiden den Namen Little Joe. Doch es geschieht Seltsames: Je weiter die Blume gedeiht, desto mehr scheinen sich die Menschen im Umfeld von Alice und Joe zu verändern.



Kritikerstimmen

Das Filmemachen ist für Hausner nicht nur persönlicher Verarbeitungsprozess, sondern auch Diskussionsfeld für gesellschaftlich relevante Themen. Little Joe kreist um die Vorzüge und Gefahren der Gentechnik: „Das ist ein ambivalentes Thema. Gentechnik bringt viele Vorteile, für die Ernährung, für die Medizin. Aber wie in jedem wissenschaftlichen Bereich lassen sich die negativen Auswirkungen nicht vorhersehen. Darum ist auch die Frankenstein-Geschichte eine der Vorlagen für Little Joe: Wissenschaftler kreieren ein Monster, das außer Kontrolle gerät. Wissenschaftler, die behaupten, dass sich alles wasserdicht kontrollieren lässt, lügen ganz einfach.“

In gewisser Weise sind alle Filme, die Jessica Hausner in den vergangenen 20 Jahren geschrieben, inszeniert und produziert hat, Versuchsanordnungen. Sie liebt sorgfältig konstruierte Schauplätze, die sie als geschlossenes System maximal kontrollieren kann. In Little Joe wird die klinische Sauberkeit eines Labors von Horrormomenten infiltriert. Unter sauberen Oberflächen und trügerischen Sicherheiten nistet etwas Unkontrollierbares, Unberechenbares, eine unheimliche Kraft, die schwer auszumachen ist, vage bleibt und gerade darum besonders bedrohlich wirkt: „Ich finde das Unheimliche dann spannend, wenn es in alltäglichen Situationen steckt.“

Das klinisch Kühle wird durch leuchtende Farben konterkariert, die geometrisch konstruierten Strukturen der Innenräume sind von Farbtupfern in Kanariengelb, Bonbonpink, Giftgrün akzentuiert, hier ein Stuhl, dort eine Kanne oder eine Schüssel.

Anke Sterneborg, Die Zeit online

Die unheilvolle, rituelle Percussion-Musik des Avantgarde-Komponisten Teiji Ito, die immer wieder wie ein Fremdkörper in diese künstliche und keimfreie Welt hereinbricht, wirkt dabei wie eine Rückkehr des Archaischen. Und wenn die Kamera von Martin Gschlacht immer wieder an den Menschen vorbeifährt, um sich auf etwas Unwichtiges wie eine Tapete zu konzentrieren, vermittelt sie eine Ahnung von einer Welt, in der der Mensch keine Rolle mehr spielt.

Michael Kienzl, FILMDIENST

Hausners wie immer strenge Formensprache findet im sterilen Gewächshausambiente zur vollen Entfaltung. Die Kamera bewegt sich hypnotisch langsam, die Stimmung bleibt unterkühlt. Die Farbpalette reicht vom pinken Licht im Glashaus zu exquisiten Minz-, Blutorange- und Ockertönen. Ein Bouquet könnte nicht geschmackvoller gebunden sein. Verstärkt wird diese Stilisierung durch eine extrem suggestive Klangkulisse.

Die Musik von Teiji Ito, bereits Anfang der Siebzigerjahre komponiert, verleiht dem Film eine Note von japanischem No-Theater. Sie klingt nach dem Widerstreit zwischen absoluter Beherrschung und kurz bevorstehender Affekttat.

Arno Raffeiner, Der Spiegel

Jessica Hauser

Jessica Hausner wird 1972 in Wien in ein künstlerisches Umfeld hinein geboren. Vater ist der Wiener Maler Rudolf Hausner, prominenter Vertreter der Wiener Schule des Phantastischen Realismus. Ihre Schwester ist die Kostümbildnerin Tanja Hausner, die Bühnenbildnerin und Malerin Xenia Hausner ist ihre Halbschwester. Bereits früh beginnt sich Jessica für Film zu interessieren, ihr Weg nach dem Gymnasium führt sie an die Wiener Filmakademie. Dort ist Michael Haneke, der zu einem ihrer Mentoren werden wird, einer ihrer Lehrer. Nach einer Reihe von viel beachteten Kurzfilmen findet ihr erster Langspielfilm ‚Lovely Rita‘ (2001) internationale Beachtung und Anerkennung.

Bereits zwei Jahre zuvor hat die engagierte junge Filmemacherin zusammen mit ihren Regiekollegen Barbara Albert und Antonin Svoboda sowie dem Kameramann Martin Gschlacht die Filmproduktionsfirma coop99 gegründet. Mit dem Film ‚Hotel‘ (2006) bezieht sich Hausner auf das Genre des Psychothrillers, ihr Film ‚Lourdes‘ (2009) erhält eine Einladung in den Wettbewerb der Filmfestspiele von Venedig und heimst dort den FIPRESCI-Preis ein, weitere internationale Preise folgen.

Im Jahr 2016 wird ihr Film ‚Amour Fou‘, eine einfühlsame Studie über den Dichter Heinrich von Kleist bei den Filmfestspielen von Cannes präsentiert. Hausner, die bei allen ihren Filmen auch selbst das Drehbuch verfasst, hat sich mit ihren Filmen längst als Aushängeschild des österreichischen Films innerhalb der europäischen Kinolandschaft etabliert. nes Premiere feierte.


Filmografie

1992 Anne, Herr Mares, Ruths Geburtstag (Kurzfilme)

1993 Ich möchte sein manchmal ein Schmetterling (Kurzfilm)

1997 Flora

1998 Interview

2001 Lovely Rita

2004 Hotel

2005 Toast

2009 Lourdes

2014 Amour Fou

2019 Little Joe – Glück ist ein Geschäft

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